Besançon, an einer Schleife des Doubs gelegen, ist ein beschaulicher Ort im französischen Departément Doubs mit einer wunderschönen historischen Altstadt und einer Zitadelle, und zählt zum Weltkulturerbe der UNESCO. Das Schönste in Besançon – jedenfalls mit den Augen eines fischertechnikers betrachtet – sind jedoch der Renaissancepalast Granvelle (erbaut 1534-1547) und die Kathedrale Saint-Jean, eine Basilika aus dem 11. bis 13. Jahrhundert, am höchsten Punkt der Altstadt gelegen. Keineswegs wegen der Architektur oder der historischen Bedeutung beider Gemäuer, auch wenn der Palast Granvelle als einer der schönsten der französischen Renaissance gilt. Sondern wegen zweier monumentaler technikgeschichtlicher Einrichtungen, die sich dort besichtigen lassen.
Vor gut 200 Jahren, im Jahr 1793, wurde während der Revolutionsregierung die nationale Uhrmachermanufaktur in Besançon eingerichtet. Damit stieg Besançon im Verlauf des 19. Jahrhunderts zur Uhrmacherhauptstadt Frankreichs auf. Zwar existierten bereits Anfang des 17. Jahrhunderts lokale Uhrmacher, aber erst mit der Einführung der Spiralfeder als Antrieb und Regulator durch Christiaan Huygens (1629-1695) um 1675 wurden bezahlbare, genau gehende Uhren mit eleganten, flachen Kalibern möglich. Die daraufhin ansteigende Nachfrage insbesondere nach Taschenuhren führte zu einem rasanten Aufschwung und zur Industrialisierung und Spezialisierung der Uhrenproduktion in Besançon. 1862 wurde die Uhrmacherschule „L’Horlo“ gegründet, durch die die Uhrmacherindustrie fest in Besançon verankert wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stammten schließlich 90% aller in Frankreich hergestellten Uhren aus Besançon; die Uhrenindustrie beschäftigte hier fast 20.000 Menschen. Erst mit dem Aufkommen günstiger Quarzuhren verlor Besançon in den 1970er Jahren seine Bedeutung als Uhrmacherhauptstadt.
Von dieser Geschichte zeugen heute noch die astronomische Uhr in der Kathedrale Saint-Jean und das „Musée du Temps“ (Museum der Zeit), eingerichtet im Jahr 2002 im Palast Granvelle.
Die astronomische Uhr, entwickelt von 1858 bis 1860 von Auguste Lucien Vérité, einem Uhrmacher aus Beauvais, besteht aus mehr als 30.000 Teilen. Sie hat insgesamt elf (Gewichts-) Antriebe, mehrere Schlagwerke und 62 Anzeigen – zuzüglich eines kompletten Planetariums (mit Merkur, Venus, Erde, Mond, Mars, Saturn und Jupiter).
Angezeigt werden neben allen Zeit- und Kalenderdaten (inklusive der Sonnenzeit, des Zeitpunkts des Sonnenauf- und -untergangs in Besançon und des Schaltjahrhunderts) die Sonnen- und Mondfinsternisse sowie die Gezeiten für acht französische Küstenstädte.
Das nur wenige hundert Meter entfernte Musée du Temps – leicht zu finden anhand der überall in der Altstadt im Pflaster eingelassenen kleinen dreieckigen Messingtafeln, die den Weg zum Museum zeigen – beherbergt zahlreiche Exponate der Geschichte der mechanischen Uhr: Turmuhren mit Schlagwerk und Stiftengang, große Planetarien in hölzernen Globen, Tischpendeluhren, Taschenuhren, Schiffschronometer.
Dazwischen anschauliche Erläuterungen unterschiedlicher Antriebe, Hemmungen und Regulatoren. Und schließlich die Entwicklung der elektrischen Uhr, der Quarzuhr und der Cäsiumuhr.
Ein Exponat sticht besonders hervor: Die Leroy 01, 1899 in Besançon für einen portugisischen Sammler aus 975 Teilen zusammengebaut, mit 24 Komplikationen 90 Jahre lang die „komplizierteste Uhr der Welt“ – bis sie 1989 von einer Patek Philippe mit 32 Komplikationen entthront wurde.
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