Warum fischertechnik und Scratch zusammengehören.

Durch einen Zufall bin ich vor einigen Tagen auf eine Veröffentlichung von Mitchel Resnick und Brian Silverman vom MIT Media Lab aus dem Jahr 2005 gestoßen: „Some Reflections on Designing Construktion Kits for Kids„. In diesem kurzen Aufsatz stellen Resnick und Silverman zehn Design-Prinzipien für Konstruktionsbaukästen vor – abgeleitet aus zwanzig Jahren Erfahrung mit deren Entwicklung.

Um die Bedeutung dieser Veröffentlichung zu verstehen, sollte man wissen, dass Resnick und Silverman Mitarbeiter von Seymour Papert (1928-2016) waren, der 1985 zusammen mit Nicholas Negroponte (*1943) am MIT das Media Lab gegründet hatte. Papert ist nicht nur Entwickler der Programmiersprache LOGO (aus dem Jahr 1968!) und Autor des unter Informatikern und Erziehungswissenschaftlern weithin bekannten Buchs „Mindstorms: Children, Computer and Powerful Ideas“ (1980), sondern insbesondere Begründer des Konstruktionismus. Den Begriff definierte Papert, der in den frühen 60er Jahren bei dem Erziehungswissenschaftler Jean Piaget (1896-1980) in Genf promoviert hatte, 1987 wie folgt:

The word constructionism is a mnemonic for two aspects of the theory of science education (..): From constructivist theories of psychology we take a view of learning as a reconstruction rather than as a transmission of knowledge. Then we extend the idea of manipulative materials to the idea that learning is most effective when part of an activity the learner experiences as constructing a meaningful product.

Seymour Papert (1987)

Diese Definition könnte auch von Artur Fischer stammen – denn genau das ist es, was das System fischertechnik bietet: Lernen durch die eigenständige Konstruktion sinnvoller Lösungen (Modelle).

Für Papert ging das Konzept über die Entwicklung von Konstruktionsbaukästen hinaus und schloss insbesondere Programmiersprachen ein. Daher gingen aus den Arbeiten des Media Lab nicht nur LEGO Mindstorms und LEGO WeDo hervor, sondern – unter der Leitung von Mitchel Resnick – im Jahr 2004 insbesondere Scratch. Scratch wurde nach den von Resnick und Silverman 2005 publizierten Entwurfsprinzipien entwickelt. 2010 publizierten die Autoren das Konzept hinter Scratch in dem lesenswerten Aufsatz „The Scratch Programming Language and Environment„. Danach versteht man, dass Scratch etwas konzeptionell vollständig anderes ist als Googles Blockly (und dessen Derivate): Es ist keineswegs einfach nur eine „grafische Programmiersprache“. Scratch ist eine Entwicklungsumgebung, die durch sehr viele Details die Entwicklung funktionsfähiger Programme im Sinne des Konstruktionismus unterstützt. Und damit ist Scratch – genau wie fischertechnik – viel mehr ein „Produktentwicklungssystem“ (und keine profane Programmiersprache). Daher ergänzen sich fischertechnik und Scratch geradezu perfekt.

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