Was den (fischer)Techniker in Heilbronn begeistert.

Heilbronn ist nicht der Nabel der Welt – mit rund 125.000 Einwohnern ist es eine eher kleine Großstadt in Baden-Württemberg. Doch dank der Dieter-Schwarz-Stiftung hat Heilbronn die „Experimenta“ – eine physikalisch-technische Mitmach-Ausstellung in einem 2019 eröffneten, futuristisch konstruierten, dreistöckigen Museumsbau: entworfen von Sauberbruch Hutton und erbaut auf einer kleinen Neckar-Insel nur wenige Schritte vom Stadtzentrum entfernt.

Das „Experimenta Science Center“ (Foto: experimenta.science)

Die Ausstellung des (nach eigenem Bekunden) „größten Science Center Deutschlands“ umfasst zahlreiche Exponate, die die Beschäftigung mit unterschiedlichen technischen Themen (Licht, Kraft, Getriebe, Wasser, Wind, Strom, …) nicht nur ermöglichen, sondern geradezu erzwingen. Und auch fischertechnik hat hier seinen Platz – wenn auch nur als Schwimmkörper für Lego-Aufbauten im großen Wasserbecken…

fischertechnik-Bootsrumpf in der Experimenta

Was der Ausstellung (und dem gut sortierten Museums-Shop) gut zu Gesicht stünde, wäre eine große fischertechnik-„Materialsammlung“, mit der Besucher sich selbst an Konstruktionen versuchen könnten. So gibt es in jedem Stockwerk einen Workshop-Bereich, in dem kleinere Besuchergruppen Modelle nachbauen und Experimente durchführen können – ideale Plätze für ein kleines „fischertechnik-Universum“. Im Gebäude direkt gegenüber lädt ein (öffentlicher) Maker Space zum Mitmachen ein, in dem man nicht nur 3D-Drucker anwerfen, sondern auch elektronischen Schaltungen mit Jumper-Kabeln und Lötkolben zu Leibe rücken kann.

Damit aber nicht genug – denn Heilbronn hat noch eine weitere den fischertechniker faszinierende Sehenswürdigkeit: das Rathaus. Wie große Teile der Innenstadt wurde es Ende 1944 bei einem Bombenangriff zerstört, aber 1949-51 nach historischer Vorlage wieder aufgebaut. Das aus dem 13. Jahrhundert stammende, 1417 umgebaute und im 16. Jahrhundert durch Anbauten vergrößerte Gebäude trug (und trägt seit 1953 wieder) an seiner Südfassade eine Besonderheit: eine astronomische Kunstuhr, 1580 von Isaak Habrecht aus Schaffhausen errichtet, einem der Uhrmacher der berühmten (zweiten) astronomischen Uhr im Straßburger Münster, die sechs Jahre zuvor (1574) fertiggestellt worden war.

Zifferblatt der Kunstuhr am Heilbronner Rathaus (mit kurzem Minutenzeiger)

Ein Viertelstundenschlagwerk schlägt alle 15 Minuten die über den Zifferblättern hängende Glocke. Unter der hübschen Zeitanzeige darunter, mit einem langen Stunden- und einem kürzeren Minutenzeiger (damals bei Turm- und Räderuhren wegen deren Ungenauigkeit eher unüblich), sind zwei Engel zu sehen, die zu jeder vollen Stunde die Fanfare blasen und das Stundenglas drehen; zugleich richten sich die beiden Schafsböcke auf und stoßen ihre Hörner aneinander. Der in der Mitte darunter gerade noch zu erkennende Hahn kräht viermal am Tag: um 8, 12, 16 und 20 Uhr.

Astronomisches Zifferblatt der Kunstuhr am Heilbronner Rathaus (1580)

Auf dem astronomischen Zifferblatt direkt darunter findet sich eine drei Zeiger umfassende Datumsanzeige mit Wochentag und Mondstand. Der Datumszeiger dreht sich einmal in 365 Tagen und zeigt das Sonnenjahr – erkennbar an der Zeigerspitze mit der Sonne. Darunter sind die Sternzeichen des Tierkreises ablesbar, durch die die Sonnendurchgänge erfolgen.

Ein zweiter, sehr kurzer Zeiger zeigt den Wochentag an und vollzieht alle sieben Tage eine Umdrehung. Das zugehörige Zifferblatt illustriert die Herkunft der Tagesbezeichnungen: Es sind die Namen der den Babyloniern bekannten sieben Planeten Sonne (Sonntag), Mond (Montag), Mars (Dienstag, franz.: mardi), Merkur (Mittwoch, franz.: mercredi), Jupiter (Donnerstag, engl.: Thursday = Thor), Venus (Freitag, franz.: vendredi) und Saturn (Samstag, engl.: Saturday), die „Tagesregenten“.

Der dritte Zeiger (mit dem Mond an der Spitze) schließlich zeigt die Position des Mondes im Tierkreis an. Über dem Uhr-Zifferblatt, direkt unter der Glocke, gibt es zudem eine doppelte Mondphasenanzeige.

Mondphasenanzeige mit Zeiger und sich drehendem Mond-Bild

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