Am 26.10.2022 zauberte eine überraschende Nachricht große Fragezeichen auf die Stirn ungezählter MINT-Lehrer: Lego kündigte an, seine Robotik-Reihe Mindstorms zum Ende des Jahres 2022 einzustellen. Zwar bedeutet das keinen kompletten Rückzug von Lego aus der Mikrocontroller-Welt, allerdings zielt das verbleibende Spike-Education-Konzept auf Fünft- bis Achtklässler – mit einem Controller, der mit sechs Ein-/Ausgängen eher dünnbrüstig daherkommt, trotz integriertem Gyro-Sensor und MicroPython-Betriebssystem.
Ist das weise Voraussicht oder wurde die Entscheidung vom Markt erzwungen? Geht die Zeit der „Mikrocontroller-Boliden“ zu Ende, oder resigniert Lego vor der Komplexität der zu unterstützenden Betriebssysteme und der Konkurrenz von Raspberry Pi und Co. aus der Maker-Szene – oder gar vor Produktionsengpässen und damit verbundenen Preissteigerungen bei den benötigten Elektronik-Komponenten?
Eines ist gewiss: Seit Jahren ist ein Trend zu „Click-and-Run“-Lösungen im Lernbereich zu beobachten. Technische Komplexität wird mehr und mehr unter glatten, hübschen Oberflächen versteckt, um Kindern schnelle Erfolgserlebnisse zu bieten. Da passt ein smarter „Hub“ besser ins Bild als ein komplexer, erklärungsbedürftiger Mikrocontroller wie der EV3. Auch fischertechnik kokettiert mit diesem Trend; der Baukasten „Early Coding“ (siehe Abb.) und dessen Vorläufer „Mini Bots“ bedienen dieselbe Erwartung nach schnellen, nachdenkarmen Lernerfolgen.

Aber sind das die Lernerlebnisse, die unsere Kinder wirklich brauchen?
Das wirkt so, als wolle man das Erlernen von Schreiben und Lesen dadurch vereinfachen, dass man die Zeichensetzung (die ohnehin kaum noch jemand beherrscht), die Grammatik (viel zu komplex) und die Rechtschreibung weglässt – und zum Schluss das Alphabet auf zwei Buchstaben reduziert (z. B. „d“ und „a“). Dann lernt sogar ein zweijähriges Kind lesen…
Der Vergleich ist übertrieben. Aber wenn wir Wissen so simpel vermitteln, dass nichts mehr zu lernen ist, dann wird natürlich auch nichts mehr gelernt. Tatsächlich sind die technischen Zusammenhänge heute komplexer als vor 50 Jahren, als ich zur Schule ging. Sie zu begreifen erfordert ein tieferes und umfassenderes Verständnis als das, was wir damals benötigten. Und wir tun so, als ob das heute alles viel einfacher zu lernen wäre – nur, weil wir bessere Methoden kennen, um Komplexität zu verstecken. Ganz nebenbei unterfordern wir so die meisten Kinder, und bringen ihnen obendrein noch bei, dass Lernen keinerlei Anstrengung bedarf.

Von Albert Einstein stammt das Bonmot „Man sollte alles so einfach wie möglich machen, aber nicht einfacher.“ Wenn wir das nicht beachten, bekommen wir eines Tages Schulabgänger, die glauben, Energieknappheit ließe sich durch die Installation weiterer Steckdosen lösen.
Bestärken wir fischertechnik also darin, nicht in Legos Fußstapfen zu treten. Eines Tages wird uns das eine Generation von Ingenieuren danken.
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