Einer der größten archäologischen Sensationsfunde des vergangenen Jahrhunderts war ein im Jahr 1900 von Schwammtauchern vor der griechischen Insel Antikythera entdecktes Schiffswrack, dessen Untergang anhand der in der Ladung gefundenen Münzen auf die Zeit zwischen 86 und 67 v.Chr. datiert werden konnte. Es enhielt nicht nur zahlreiche außergewöhnlich kunstvolle Statuen, sondern auch eine zu einem Klumpen „verbackene“ Ansammlung metallener Räder.

Da die Bedeutung dieses „Klumpens“ nicht sofort erkannt wurde und die Fundstücke auch nicht besonders sorgfältig konserviert wurden, war der Klumpen 1958, als der Yale-Professor Derek de Solla Price auf ihn aufmerksam wurde, bereits in über 80 Bruchstücke zerfallen; Teile des ursprünglichen Holzrahmens existierten nicht mehr. Dennoch gelang es Price, dem merkwürdigen Fund mit Hilfe eines Röntgengeräts sein Geheimnis zu entlocken (Gears from the Greeks): Bei dem als „Antikythera-Meachanismus“ bezeichneten Objekt handelt es sich um eine Art Astronomische Uhr mit Handantrieb, die (wie die Astrolabien des 18. Jahrhunderts) die Mondphase, die Position der Sonne im Tierkreis und (wahrscheinlich) auch die relative Lage der Planeten zur Sonne und zum Mond anzeigen konnte. Weitere Erkenntnisse gelangen u.a. dem Antikythera Mechanism Research Project: Dabei wurde entdeckt, dass eine separate Anzeige die Vorhersage von Eklipsen (Finsternisse) erlaubte; in einer weiteren Skala wurden die Olympiaden-Persioden angezeigt.

Faszinierend an dieser Entdeckung sind weniger die astronomischen Kenntnisse der Erzeuger des Mechanismus, sondern die mechanische Realisierung: Er bestand aus mindestens 30 (fragmentarisch erhaltenen), wahrscheinlich sogar 39 Zahnrädern aus Metall, die das komplexe Getriebe bildeten. Die rückseitigen Spiralanzeigen der Sonnenjahre (Saros- und Meton-Periode) beginnen im Mai 205 vor Christus – möglicherweise ein Hinweis auf das Datum der Entstehung des ersten derartigen Geräts.
Damit waren die Griechen (vermutlich aus dem Umfeld von Archimedes von Syracus) bereits 200 Jahre v.Chr. in der Lage, Zahnradgetriebe zu bauen, die erst wieder im Europa des 14. Jh. n.Chr., also 1.600 Jahre später gelangen. Hätten die Griechen damals auch das Antriebsproblem (Hemmung) gelöst, wären ihnen wohl die ersten Uhren gelungen.
Einen Teil des Getriebes, ein Differential (nach der Rekonstruktion von Derek de Solla Price), hat Thomas Püttmann aus fischertechnik konstruiert (siehe seinen Beitrag zum Differentialgetriebe in der ft:pedia 4/2014, S. 12 ff.).

Von der BBC gibt es eine faszinierende Dokumentation der Analyse des Mechanismus‘ in YouTube (58 min.):
Eine etwas kürzere Dokumentation (15 min.) vom Spektrum-Verlag gibt ebenfalls einen guten Einblick in die spannende Analyse dieses sensationellen Mechanisums‘:
Ein Thema, das im Geschichtsunterricht nicht fehlen sollte – auch wenn es wohl leider nur den wenigsten Geschichtslehrern bekannt sein dürfte.
Hat dies auf Die Goldene Landschaft rebloggt.