Muss Informatik Pflichtfach an deutschen Schulen werden? Die Diskussion darüber nimmt gelegentlich schon ideologische Züge an. Gehören die Grundlagen der „Wissenschaft von der systematischen Darstellung, Speicherung, Verarbeitung und Übertragung von Informationen, besonders der automatischen Verarbeitung mithilfe von Digitalrechnern“, wie der Informatik-Duden die Informatik so geschmeidig definiert, zu dem Wissenskanon, den wir als „Allgemeinbildung“ bezeichnen – und der die Voraussetzung für die Erlangung einer „Allgemeinen Hochschulreife“ (vulgo: Abi) bildet?
Keine Frage: Das Wissen, das eine Gesellschaft als „Grundbildung“ versteht, entwickelt sich – zum Glück – ständig weiter. Gelegentlich ein wenig zurück (G8, „Kompetenzen“ statt Fertigkeiten), aber über die Zeit doch zu einem mehr oder weniger allgemein akzeptierten Konsens. Pisa sei dank. Und so können heutige Abiturienten zwar nicht mehr so viel, wie wir damals (wie auch!) – aber immerhin mehr als die Generation unserer Eltern.
Außer Frage steht sicher, dass die Informatik immer wichtiger wird und daher in die Schule gehört. Aber wie? Als kondensierte, von allen interessanten Seitenthemen befreite Zusammenfassung des Informatik-Grundstudiums, so wie das Fach heute Lehramtsanwärtern vermittelt wird? Tatsächlich liegt exakt hier der Kern des Problems. Oder, wie es Harald Lesch kürzlich so treffend auf den Punkt brachte: Manche Lehrer unterrichten Schüler. Andere unterrichten Fächer.
Wenn wir Schülerinnen und Schüler für Mathematik begeistern wollen, dann zeigen wir ihnen doch, wie sie mit Hilfe der Mathematik eine (für sie) interessante Fragestellung beantworten können: Wenn ich im Park gemütlich auf einer Bank sitze und wissen will, wie hoch der nächste Baum ist – wie bekomme ich das hin, ohne aufzustehen (Strahlensatz)? Oder: Wie lange reichen Erdöl, Erdgas und Kohle noch, wenn wir den weltweiten Verbrauch jährlich um 1, 2 oder sogar 3% reduzieren (Prozentrechnung)?
Dasselbe gilt für die Physik: Wenn ich einen Schlagball weiter werfen will als Thomas, die Sportskanone der Klasse, in welchem Winkel muss ich den Ball schleudern, um das maximale aus meinem Trainingszustand herauszuholen (Erdanziehung, Luftwiderstand)? Oder: Wie kann ich, ganz alleine, ein tonnenschweres Auto anheben (Hebel, Flaschenzug, Kraft mal Weg, …)?
Nur selten lassen sich Schülerinnen und Schüler von der reinen Theorie faszinieren. Hingegen wird sie bereitwillig aufgesogen, wenn sie hilft, ein – im Idealfall sogar selbst gewähltes – Problem zu lösen. Genau darum geht es auch in der „Informatik-Frage“: Wie begeistern wir Schülerinnen und Schüler für Fragestellungen der Informatik? Durch die Erläuterung von Datenstrukturen? Durch die Vermittlung der Binärdarstellung von Zahlen? Durch die Erläuterung des Unterschieds zwischen „Daten“ und „Informationen“?
Wohl kaum. Ein Informatik-Unterricht solchen Inhalts hat – unvermeidlich – den inspirierenden Charme einer Bauverordnung. Für den Zugang brauchen wir daher Anwendungen. Und zwar nicht die, von denen Erwachsene träumen (App-Programmierung, Simulationen etc.), sondern solche, die Kinder faszinieren: Wie steuere ich mein Modellauto? Wie baue ich einen Geldautomaten? Wie programmiere ich ein autonomes Fahrzeug?

Und exakt hier schlägt die Stunde der fischertechniker. Wer bereits mit acht Jahren Containerkräne, Geländewagen oder Brücken konstruiert, wird die Modelle spätestens mit 10 oder 11 auch steuern wollen. Genau an dem Punkt ist die Lernkurve maximal: wenn der Wissensdurst am größten und der Lösungsweg geradezu zwingend ist. Und genau deshalb war der neue Bluetooth-Nachfolger des LT Controllers überfällig: Ein „barrierefreier“ Einstieg ohne theoretischen Ballast. Die Lust auf mehr (TXT Controller) kommt dann automatisch.
Ach ja, zurück zum Thema. Wenn das gelingt, ist es schon fast wieder egal, wie wir ab der 10. Klasse Informatik unterrichten. Denn die Schülerinnen und Schüler werden wesentliche Grundlagen bereits verinnerlicht haben: Die Theorie ist dann nur noch Unterfütterung ihres Erfahrungswissens. Und wenn die mit dem Charme einer Bauverordnung ‚rüberkommt, kann sie der Begeisterung auch nicht mehr viel anhaben.
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