Wie fischertechniker Mathematik lernen.

Was hat Mathematik mit Haptik zu tun? Geht es in der Mathematik nicht um rein Abstraktes, Theoretisches?

Weit gefehlt. Zwar kann man Mathematik auch allein über ihre Notation verstehen – wenigstens direkte Beweise kann man auch führen, ohne sich ein konkretes Bild von dem zu machen, was man da eigentlich tut. Ein tiefes Verständnis der Mathematik eröffnet sich aber erst aus dem Bezug zum Konkreten: Jedem Satz, jeder Rechenoperation und jeder Definition liegt ein Modell zu Grunde, das entweder aus der Wirklichkeit entlehnt ist oder eine Abstraktion des Wirklichen darstellt.

Ein Beispiel: Wer mit Vektoren in n-dimensionalen Räumen rechnen oder Projektionen verstehen will, dem hilft die Veranschaulichung im zwei- und dreidimensionalen Raum erheblich. Oder, viel elementarer: Wer das 10er-System verstehen möchte, der sollte einmal 1, 10, 10×10 und 10x10x10 Klötzchen stapeln. Denn Lernen ist Konstruieren – das wusste Maria Montessori (1870-1952) so gut wie Artur Fischer (1919-2016) und Prof. Beutelspacher, dem Gründer des Mathematikums in Gießen.

Kaum etwas könnte also näher liegen als Mathematik über fischertechnik-Modelle zu erlernen. Und daher hat nun der Bochumer Mathematik-Professor Thomas Püttmann mit seinem Buch „Mathematik verstehen mit fischertechnik“ in 28 Kapiteln das vermeintlich rein Abstrakte der Mathematik in Modellen konkret werden lassen.

Das Ergebnis ist Verständnis pur: Abakus, Napiersche Rechenstäbe, Rechenschieber und Binärrechner ersetzen den Taschenrechner, die Positionsbestimmung mit einem Sextanten und der (mechanische) Sinuscomputer machen die Trigonometrie greifbar – und geradezu „magisch“ wird es bei der Flächenberechnung mit dem Planimeter, dem „Selbstenttwister“, dem Faktorisierer oder dem Kelvinschen Seilcomputer zum (mechanischen) Lösen linearer Gleichungssysteme. Mathematischer Hintergrund, Anwendungsbeispiele und jeweils eine anschauliche Bauanleitung machen das Buch zu einer Handreichung für den Mathematikunterricht – und zu einer wahren Fundgrube für jeden (fischer)Techniker, denn die Modelle sind meisterhaft konstruiert.

Ein „Must have“ für jeden Mathematiklehrer, der nicht stupides Rechnen, sondern elementares Verständnis für Mathematik vermitteln möchte – und eine Perle im Bücherschrank des fischertechnikers.

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