Was ein fischertechniker im Bücherschrank stehen haben sollte (Teil 13).

Wer sich mit der Entwicklung der Technik in der Geschichte der Menschheit beschäftigt, dem fällt bald auf, dass sich mindestens die vergangenen 2.000 Jahre unserer Zeitrechnung vor allem als Geschichte der Technik erzählen lassen: Nichts hat die Lebensbedingungen der Menschheit stärker verändert und geprägt – im Großen wie im Kleinen. Und wenn man noch genauer hinschaut, stellt man fest, dass vor allem ein Thema – wie eine geheimnisvolle Selbstbezüglichkeit – als ständiger Antrieb diese Geschichte durchzieht: die Bestimmung der Zeit. Das Ringen um das Verständnis der Planetenbewegungen gab nicht nur der Mathematik und Physik zentrale Impulse, auch das älteste bekannte Zahnradgetriebe gehörte zu einem Planetarium – und über die unterschiedlichen Weltbilder entbrannten blutige konfessionelle Auseinandersetzungen. Sehr viele unserer täglichen technischen Begleiter, vom Wecker über den Tachometer bis zum GPS-Sensor, basieren auf einer (genauen) Zeitmessung.

Ein äußerst interessanter Aspekt dabei ist weniger bekannt: Uhren waren (und sind bis heute) die genauesten Messinstrumente, die wir kennen (und das, obwohl wir vielleicht noch nicht einmal genau verstanden haben, was „Zeit“ eigentlich ist). Die von Christiaan Huygens (1629-1695) im Jahr 1656 entwickelte Pendeluhr besaß eine Gangabweichung von +/- 10 Sekunden am Tag – das entspricht einer Messungenauigkeit von 0,01%. John Harrison (1693-1776) konnte diesen Wert 100 Jahre später mit seinen Schiffschronometern zur Lösung des Längengradproblems auf sensationelle 0,001% senken – das entspricht einer Abweichung von rund einer Sekunde am Tag. Ende des 19. Jahrhunderts erreichten dann mechanische Präzisionspendeluhren von Sigmund Riefler (1847-1912) in den Sternwarten eine Gangabweichung von 0,01 Sekunden am Tag – das ist ein 100stel der Abweichung von Harrisons Schiffschronometern und entspricht einem Messfehler von 0,00001%. Und weitere 100 Jahre später besitzen Atomuhren in GPS-Satelliten eine Gangabweichung von einer Sekunde in einer Million Jahren – ein Messfehler von etwa 0,00000000000001%.

Wer sich mit der Geschichte der Zeit (und deren Messung) beschäftigen möchte, der sollte mindestens das kleine Büchlein „Kurze Geschichte von Uhr und Zeit“ (40 Seiten, 5 €) für seine Bibliothek erwerben, das das Deutsche Uhrenmuseum in Furtwangen herausgibt; zu erstehen vor Ort oder über den Online-Shop der Museumswebseite.

Auszug aus dem Büchlein „Kurze Geschichte von Uhr und Zeit“ des Uhrenmuseums Furtwangen

Deutlich ausführlicher geht der – leider nur noch antiquarisch erhältliche – Führer des Deutschen Uhrenmuseums von Richard Mühe und Helmut Kahlert, „Die Geschichte der Uhr“, aus dem Jahr 1983 auf die Zusammenhänge ein (160 Seiten, broschiert) – mit zahlreichen Fotos und einem sehr informativen Textteil.

Auch die astronomischen Monumentaluhren des 14. bis 16. Jahrhunderts, Statussymbole aufkommender (nicht nur, aber vor allem auch) Hansestädte, verdienen in diesem Kontext einen genaueren Blick und erhellen die Bedeutung und Entwicklung des Zeitverständnisses in der Renaissance. Sehr kompetent und wunderschön aufbereitet stellt Manfred Schukowski in „Wunderuhren“ die deutschen Hanseuhren vor. Im Anhang findet sich eine Übersicht aller (öffentlichen) astronomischen Großuhren in Europa – eine große Hilfe für die nächste Urlaubsplanung.

Auszug aus: „Wunderuhren“ von Manfred Schukowski, 2006

Wer richtig tief eintauchen möchte in die Entwicklung des Zeitverständnisses von den vorchristlichen Hochkulturen bis heute, dem sei die „Universalgeschichte der Zeit“ von Hans Lenz ans Herz gelegt – ein großartiges Werk. Wer sich daran wagt, sollte gerne lesen: 550 Seiten, keine Abbildungen – aber begeisternd geschrieben.

Wer obendrein des Englischen mächtig und bereit ist, ein wenig tiefer in die Tasche zu greifen, dem sei der bisher unübertroffene Klassiker der Uhren- und Planetariengeschichte ans Herz gelegt: „Geared to the Stars“ von Henry King, dem ehemaligen Kurator des McLaughlin Planetariums des Royal Ontario Museum in Toronto (Danke an Thomas Püttmann für diesen wundervollen Tipp!). Ein umfassendes Werk – Henry King hat die meisten Artefakte in den verschiedenen Museen und anderen Orten der Welt persönlich untersucht und fotografiert, und allein sein Literaturverzeichnis umfasst 23 Druckseiten. Leider ist das Werk nur noch antiquarisch erhältlich.

Auszug aus „Geared to the Stars“ von Henry C. King, 1978 (445 Seiten)

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